Musik unter Beobachtung: Handlungsräume zwischen Kontrolle und Ausdruck
36. Jahrestagung der Gesellschaft für Popularmusikforschung
Leuphana Universität Lüneburg
16.–18.10.2026
Populäre Musik entsteht unter ständiger Beobachtung. Ob durch das wachsame Auge der staatlichen Zensur, den analytischen Blick der A&R‑Abteilung eines Labels, die kritische Begutachtung durch eine Online-Fangemeinde oder das automatisierte Tracking einer Streaming-Plattform – Musik wird fortwährend dadurch geformt, dass sie gesehen und gehört wird. Solche Beobachtung setzt oft Grenzen, schafft aber ebenso neue Handlungsmöglichkeiten. Diese Tagung fragt: Was tun Musiker*innen, Industrien und Publika, wenn sie beobachtet werden?
Wir wollen die Handlungsräume untersuchen, die sich im Spannungsfeld zwischen Kontrolldruck und Ausdruckswillen auftun: Die aktuellen Entwicklungen in den USA spitzen dabei globale Trends von Zensur und Cancel Cultures auf eine bisher nicht vorhersehbare Weise zu. Kontrolle kann sich als offene Zensur, durch subtile Lenkung von Algorithmen, als ökonomische Disziplinierung des Marktes oder durch die soziale Überwachung von Authentizität innerhalb einer Szene manifestieren. Als Reaktion darauf entstehen jedoch beständig neue Formen von Kreativität, Widerstand, Subversion und Identitätsspiel. Als weitere Reaktionen auf Beobachtungen von Praktiken und Hierarchien können jedoch auch Schutzräume, Awareness-Maßnahmen sowie kreative Handlungsräume mit Möglichkeiten zur Reflexion und Selbstbestimmung entstehen. Die Tagung lädt dazu ein, dieses dynamische Spannungsverhältnis in unterschiedlichen historischen, kulturellen, sozialen, ökonomischen und technologischen Kontexten zu untersuchen.
Wir freuen uns über Einreichungen, die sich unter anderem mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
- Wie haben Künstler*innen und ihr Publikum in verschiedenen politischen Regimen staatliche Überwachung oder Zensur navigiert?
- Welche Formen der ökonomischen und industriellen Beobachtung, von der Chart-Erstellung bis zur Marktforschung, haben die musikalische Produktion und Wertschöpfung geprägt?
- Wie schaffen Technologien – vom Metronom bis zum maschinellen Lernen – neue Formen von Disziplin und kreativer Freiheit im musikalischen Schaffensprozess?
- Auf welche Weise beobachten und regulieren soziale Gruppen, Subkulturen oder Fangemeinschaften das Verhalten, den Geschmack und die Identitäten ihrer Mitglieder?
- Wie ist Musik in Praktiken der Selbstbeobachtung involviert, sei es für Wohlbefinden, künstlerische Vervollkommnung oder Personal Branding?
- Wie entwickeln Künstler*innen und Hörer*innen Taktiken des Widerstands, der Unsichtbarkeit oder der spielerischen Subversion als Reaktion auf Überwachung?
- Welche Formen von Fürsorge, Verantwortung und Awareness können aus Beobachtungspraktiken hervorgehen?
Wir begrüßen ausdrücklich Einreichungen von Early-Career-Forschenden und Vorschläge für vielfältige Formate jenseits des traditionellen Vortrags. Dazu gehören Workshops, Diskussionsrunden, Lecture-Performances, Audio-Papers, Filmvorführungen und andere experimentelle oder interaktive Beiträge. Bitte senden Sie ein Abstract von max. 250 Wörtern sowie eine Kurzbiografie (max. 80 Wörter) bis zum 10. Januar 2026 an gfpm2026@popularmusikforschung.de.
Für die Teilnahme an der Tagung wird eine Tagungsgebühr erhoben. Für Early-Career-Forschende sowie für Teilnehmende mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten stehen auf Antrag Stipendien zur Unterstützung von Reise- und Tagungskosten zur Verfügung. Weitere Infos dazu folgen.