28.06.2022 | Am 6. April 2022 wurde im Kontext der Veröffentlichung eines Posts in der Facebook-Gruppe der International Association for the Study of Popular Music eine Problematik sichtbar, die für die betroffenen Personen nicht nur mehr als belastend ist, sondern auch nach wie vor tabuisiert, wenn nicht sogar systematisch verschleiert wird: #metoo in academia.
Im konkreten Fall wurden Vergewaltigungsvorwürfe sowohl an einzelne Personen adressiert als auch die Strukturen genannt, welche diese vermeintlichen Taten zuließen. Hierbei wurde nicht nur das Leiden der Anklägerin deutlich, sondern auch eine Überforderung der organisationalen Strukturen und verantwortlicher Menschen. Gleichzeitig offenbarte sich das Potential von Solidarisierung und Empowerment innerhalb der Community. Auch wenn dieser Vorfall im Rahmen der IASPM passiert und bisher vornehmend dort diskutiert worden ist, sehen wir ihn als Ausdruck tieferliegender sozialer und kultureller Zusammenhänge. Als Vorstand und Beirat der GFPM wollen wir uns der Auseinandersetzung mit dieser Dynamik und der damit verbundenen Verantwortung nicht entziehen.
Wir begreifen uns als Teil eines (Wissenschafts-)Systems, das toxische Machtverhältnisse nicht nur schafft, sondern diese auch reproduziert und manifestiert. Wir sehen uns in der Verantwortung, dahinterstehende Mechanismen zu verstehen und zu verändern – sowohl durch unser inhaltliches Arbeiten als auch durch die Reflexion eigener Positionen und des Umgangs miteinander. Dies ist nicht nur eine Aufgabe von Einzelpersonen oder einzelnen Verbänden, sondern eine dringende gesamtgesellschaftliche. Zusätzlich bedarf es einer grundsätzlichen Veränderung bestehender Machtstrukturen in Wissenschaftskulturen, die wir nur gemeinsam herbeiführen können.
Wir nehmen insbesondere die gemeinsame Tagung von GFPM und IASPM D‑A-CH 2022 in Wien zum Anlass, um mit den Menschen beider Fachgesellschaften gemeinsam konstruktiv über veränderte Umgangsweisen, denkbare Unterstützungsstrukturen und den künftigen Umgang mit Machtstrukturen und deren Missbrauch ins Gespräch zu finden. Eine Möglichkeit wäre, perspektivisch einen Code of Conduct für zukünftige Tagungen zu erarbeiten. In der Zwischenzeit werden wir eine kritische Reflexion unserer eigenen Strukturen in die Wege leiten und unsere bisherigen Aktivitäten und Überlegungen im Rahmen der diesjährigen Mitgliederversammlung transparent machen.
Eines sei an dieser Stelle in aller Klarheit gesagt: Wir vertreten als GFPM eine klare Null-Toleranz-Haltung gegenüber sexuellen Grenzverletzungen, (sexualisierter) Gewalt und Machtmissbrauch in jeglicher Form.
Vorstand und Beirat der GFPM